Das Verhältnis Österreichs zur Idee der europäischen Einigung war nie von Euphorie geprägt. Österreich ist ein konservativ geprägtes Land mit einer passiven, auf Sicherheit ausgerichteten politischen Kultur.

Europa-Bild in Österreich: Anti-osmanisch, anti-slawisch, anti-französisch

Die Habsburger hatten über Jahrhunderte eine Idee von Europa hochgehalten, die auf einer strengen christlichen Interpretation des Abendlandes fußte und die K&K-Monarchie als Verteidiger gegen die Osmanen stilisierte. Im Vielvölkerstaat waren die Machtverhältnisse sehr ungleich zugunsten der Deutschsprachigen verteilt. Die Slawen galten in dieser Monarchie als minderwertig, der Antisemitismus breitete sich über alle politischen Lager aus. Es blieb ein äußerst enges Bild vom guten und echten Österreichertum: Deutschsprachig, anti-osmanisch, anti-semitisch, anti-slawisch und anti-französisch. Letzteres, weil die Franzosen die liberale Idee der Aufklärung verköperten, die den konservativen Habsburgern zu weit ging und zu gefährlich für ihre christlich-konservative Herrschaft erschien.

In Österreich war daher über Jahrhunderte ein exkludierendes Europa-Bild vorherrschend, das sich über die Abgrenzung gegenüber allem Fremden definierte. Weder 1848 noch 1968 haben diese Grundhaltung der Mehrheit wesentlich verändert. Keine relevante österreichische Partei der Nachkriegszeit, mit Ausnahme der NEOS und Teilen der Grünen, hat sich selbst von Beginn an unmissverständlich als pro-europäisch definiert. Die Skepsis gegenüber einem Europa, das aufklärerisch-französisch geprägt ist und die engen Grenzen der Nationalstaaten überwinden will, ist in Österreich tief verwurzelt.

Europa der Exklusion gegen Europa der Inklusion

Auf dieser Klaviatur spielt auch die heutige Bundesregierung, denn das Europabild der Exklusion ist so stark tradiert, dass es immer noch funktioniert. Daher verwundert es auch nicht, dass es im Programm des österreichischen Ratsvorsitzes in erster Linie und fast ausschließlich um Abgrenzung geht: Abgrenzung gegenüber Flüchtlingen, aber auch gegenüber slawischen ArbeitnehmerInnen und weiterhin gegenüber den Werten der Aufklärung, die vorrangig (noch) von Frankreich vertreten werden. Auch wenn sich die Bedrohungs-Bilder verändert haben, so ist das österreichische Europabild nach wie vor eines der Exklusion. Das passt aber nicht zu den Gründungsideen und den zentralen Texten der Einigung, passt nicht zur Charta der Menschenrechte und nicht zur Idee einer föderalen Union. Es steht dem Europa der Inklusion unvereinbar gegenüber.

Die österreichische Europa-Idee war stets in der Minderheit, weil sie ein Paradoxon darstellt und im Grunde zum Scheitern verurteilt ist. Sie führt letztlich in das Europa der Nationen, in dem alle ein Veto-Recht haben und ihre Grenzen schließen. Daher wird die EU auch weiterhin nicht von Österreich geprägt sein, sondern von Macron, Merkel, Sánchez und anderen. Die gehen mit Sicherheit voran, auch wenn Österreich hinten bleibt.