Was hat ein Staat mit einem Unternehmen gemein? Dazu muss man vorerst präzisieren, welchen Staat man meint, denn klar ist, dass ein demokratischer Staat andere Ziele verfolgt als ein autoritärer bzw. diktatorischer. Während in der Diktatur eine Person zum eigenen Wohle regiert bzw. wenige Personen zum Wohl dieser wenigen, geht es in der Demokratie um das Wohl der Gesamtheit der StaatsbürgerInnen. Der demokratische Staat gehört nicht einem oder wenigen, sondern allen. Daher ist er auch nicht zu verwechseln mit einem Unternehmen. Überraschenderweise hält sich seit einigen Jahrzehnten in manchen Kreisen die Auffassung, man müsste einen Staat wie ein Unternehmen führen. Das ist freilich aus vielen Gründen falsch bzw. würde es allenfalls dann gelten, wenn der Staat als Diktatur gesehen wird.
Das Ziel eines demokratischen Staates ist wie erwähnt das Wohle der Gesamtheit – man könnte auch „Gemeinwohl“ dazu sagen, wenn dieser Begriff nicht selbst häufig missbraucht würde. Das Ziel eines Unternehmens hingegen ist die Gewinnmaximierung, wie wir in jedem Einsteiger-Lehrbuch für Betriebswirtschaft lesen können. Gewinnmaximierung ist für einen demokratischen Staat hingegen kein Staatsziel, sondern bestenfalls im übertragenen Sinne als Wirtschaftswachstum ein Mittel zum Zweck, der soziale Gleichheit oder sozialer Zusammenhalt genannt werden kann. Der Vergleich zwischen demokratischem Staat und Unternehmen bringt wesentliche Unterschiede also schon in der Zieldefinition ans Licht. Ein demokratischer Staat beruht außerdem auf demokratischen Grundregeln, die meist in einer Verfassung verschriftlicht sind und die einem Vertrag aller mit allen entsprechen. Dazu zählen die Menschenrechte und eine Reihe weiterer Prinzipien wie die regelmäßige Durchführung von freien, geheimen und gleichen Wahlen, die Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, Parteienwettbewerb, Repräsentation usw. Auch Transparenz und Partizipation zählen dazu. Hier zeigt sich ein weiterer Unterschied zwischen einem Unternehmen und einem demokratischen Staat. Im Unternehmen kann man weder die Regierenden wählen oder abwählen, noch kann man sie als Opposition grundlegend kritisieren, ohne einen Rauswurf zu riskieren. Es gibt keinen Wettbewerb zwischen Parteien um die Führung des Unternehmens, keine Gleichheit in Hinblick auf Mitbestimmung in Entscheidungen, meist auch keine Transparenz und nur sehr eingeschränkte Partizipation. Von auch nur annähernder Repräsentation der Grundgesamtheit in Führungsgremien kann nicht die Rede sein. In demokratischen Staaten gilt eine strikte Gewaltentrennung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative. In Unternehmen sind diese drei Gewalten (in abgewandelter Form) meist in den Händen einiger weniger oder gar nur einer einzigen Person. Entscheidungen werden in demokratischen Staaten nach demokratischen Prinzipien gefällt, bei denen der Dialog und die Einbeziehung möglichst vieler relevanter Akteure zumindest idealtypisch erwünscht sind. In Unternehmen fallen wesentliche Entscheidungen meist in kurzer Zeit und ohne zeitaufwändige Debatten von einem kleinen Führungsstab. Ein Unternehmen schließlich kann MitarbeiterInnen einfach rauswerfen – sogar dann, wenn sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Es reicht in der Regel als Begründung, dass man sie sich einfach nicht mehr leisten kann. Ein Staat kann seinen StaatsbürgerInnen nicht so ohne weiteres die Staatsbürgerschaft entziehen, da er diesen ja gehört.
Diese und weitere Unterschiede lassen die Forderung, man müsse einen Staat wie ein Unternehmen führen, geradezu absurd erscheinen. Wer sie dennoch äußert, dem fehlen entweder die Basiskenntnisse politischer Bildung oder er vertritt tatsächlich eine autoritäre Staatsidee, in der es nur um die Gewinnmaximierung einiger weniger geht.