Die Globalisierung der Finanzmärkte und die weltwirtschaftlichen Entwicklungen, die ab den 1990er Jahren mit Einführung der WTO zu einer Liberalisierung des Weltmarktes führten, haben in den letzten Jahren eine Diskussion über alternative Wirtschaftsmodelle verstärkt, nicht nur in sozialistischen Bewegungen, sondern auch in ökologisch-orientierten Kreisen. Parallel dazu entwickelte sich eine anti-kapitalistische Widerstandsbewegung, die sich in sozialen Netzwerken und Protestbewegungen organisiert und breite Aufmerksamkeit erfährt. Von Globalisierungskritikern wie ATTAC und Occupy Wallstreet über Gewerkschaften bis hin zu religiösen Gruppen gibt es viele Akteure, die den vorherrschenden ökonomischen Verhältnissen ablehnend gegenüberstehen. Der deutsche Politologe Claus Leggewie unterscheidet fünf Typen der Globalisierungskritik: Basisbewegungen aus PazifistInnen, FeministInnen und UmweltschützerInnen, die das Motto „Eine andere Welt ist möglich“ propagieren, „Insider“, zu denen er prominente Ökonomen wie Joseph Stiglitz zählt, eine akademische Linksbewegung, die gegen neoliberale Prinzipien auftritt, sozialreformerische Kirchen sowie rechtsextreme und nationalistisch/faschistische Strömungen (vgl. Leggewie 2003). Die Alternativen, die aus diesen Gruppen zur vorherrschenden Weltwirtschaft angeboten werden, sind unterschiedlich in Hinblick auf ihre Qualität, ihre Konzeptualisierung und ihre Darstellung. Meistens wird davon ausgegangen, dass eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse nur über eine Reform oder Revolution des gesamten Wirtschaftssystems stattfinden könne. Dem stelle ich die Annahme gegenüber, dass mit einer Veränderung von unten begonnen werden soll, also mit einer Demokratisierung der Organisationen unseres Alltags, allen voran unseren Arbeitsplätzen und Unternehmen. Das dazu passende Konzept lautet „Unternehmensdemokratie“ und ist im deutschsprachigen Raum vergleichsweise wenig bekannt. Unter dem Schlagwort „Workplace Democracy“ gibt es allerdings im anglo-amerikanischen Raum eine starke Debatte, die ich in einem Artikel aus dem Jahr 2013 nachgezeichnet habe.
Allerdings hat die Idee eine lange gewerkschaftliche Tradition. Bei der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1949 hieß es bereits:
„Die Erfahrungen der Jahre 1918 bis 1933 haben gelehrt, daß die formale politische Demokratie nicht ausreicht, eine demokratische Gesellschaftsordnung zu verwirklichen. Die Demokratisierung des politischen Lebens muß deshalb durch die Demokratisierung der Wirtschaft ergänzt werden“ (DGB 1949, 459).
In den 1970er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Rahmen der partizipatorischen Demokratietheorien Modelle einer „Workplace Democracy“ ausgearbeitet, die zu einer Demokratisierung aller gesellschaftlichen Bereiche beitragen sollten. Carol Pateman gilt als wichtigste Vertreterin dieser Richtung. Sie argumentierte, dass der Arbeitsplatz eine Schule der Demokratie sein müsse (Pateman 1970). In den USA erlebt dieses Konzept derzeit einen neuen Aufschwung, aber auch radikalere Ansätze einer Workers Democracy [http://www.workersdemocracy.org/] sind zunehmend erkennbar und werden als Alternativen zur neoliberal ausgerichteten Marktwirtschaft diskutiert.
Während diese Ansätze von Unternehmensdemokratie alle auch gesamtgesellschaftliche und damit politische Anliegen vertreten und somit als Alternative zu vorherrschenden Ökonomieprozessen gelten können, greift das Konzept der Organisationsentwicklung (Blumberg 1968, Skelley 1989) lediglich einzelne Aspekte davon auf und argumentiert, dass die Beteiligung und partizipative Strukturen nicht nur zum Wohlbefinden aller MitarbeiterInnen beitragen, sondern auch der Organisation nutzen. Die begründete Notwendigkeit von demokratischen Elementen in der Wirtschaft nimmt heute in Managementtheorien einen sicheren Platz ein und wird auch als Employee Involvement oder Empowerment bezeichnet.
Der Grad an Demokratie in alltäglichen Organisationen lässt sich anschaulich mit einer Partizipationsleiter darstellen, die auf den Arbeiten von Sharry Arnstein (1969) beruht. Ein Unternehmen kann sehr autoritär geführt werden und seine MitarbeiterInnen lediglich instrumentalisieren, manipulieren oder anweisen. Es kann aber auch informieren, anhören oder einbeziehen. Als echte Partizipation wird indes erst die Möglichkeit der Mitbestimmung erachtet, wobei dies nicht mit der Abschiebung von Verantwortung zu verwechseln ist, sondern mehr Freiheit bedeutet. Demokratische Organisationen setzen ihre Mitglieder oder MitarbeiterInnen nicht unter Druck, sondern geben ihnen Entscheidungsspielräume, die ihre Arbeitsqualität verbessern und Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen. Scheinpartizipation durch die Abschiebung von Verantwortungen auf untere Ebenen mit Bedrohungs- oder Sanktionsrisiken ist hingegen genau das Gegenteil von Demokratie und entspricht einem autoritären Führungsstil.
Die echte Demokratisierung unserer alltäglichen Lebenswelt kann nicht nur autoritäre und hierarchische Ungleichheiten mindern, sondern auch das Demokratiebewusstsein insgesamt stärken und die Wirtschaft gerechter gestalten. Dass deshalb auf größere gesellschaftliche und politische Reformen nicht verzichtet werden kann, liegt auf der Hand.